Herr Maron, warum braucht Koblenz Startups?
Startups sind wichtig, um die Region zu beleben, neue Firmen hervorzubringen, agiler zu werden und ganz neue Arbeitsweisen an den Tag zu legen als es etablierte Unternehmen tun. Startups sind viel schneller in der Entscheidung und Umsetzung als große Firmen, die eher festgefahrene Prozesse haben und nach dem Motto agieren: “Das haben wir schon immer so gemacht”. Daher ist es gut, Firmen zu haben, die binnen kurzer Zeit schon ein Produkt oder einen Prototyp auf den Markt bringen. Warum genau Koblenz das braucht, kann Herr Hagge als Fachmann für Wirtschaftsförderung und Geschäftsführer des Technologiezentrums bestimmt viel besser erklären.
Herr Hagge, kann die Region mehr Startups gebrauchen und würden auch etablierte Unternehmen davon profitieren?
Sicherlich. Zum einen braucht es neue Startups, weil jedes Traditionsunternehmen, das es heute irgendwo gibt, früher mal ein Startup war. Es gibt nicht mehr viele große Unternehmen, deren Gründer noch leben. Die meisten Unternehmen haben schon eine lange Historie, daher ist es sinnvoll, den Gründergeist wieder zu beleben. Das ist eine Bewegung, die in ganz Deutschland und Europa befürwortet und gefördert wird. Daher möchten wir das auch in Koblenz machen und die Gründe dafür hat Herr Maron ganz richtig genannt. Neue Methoden erlernen, neue Themen aufsetzen, neue Geschäftsmodelle entwickeln – all das kann in einem neuen Unternehmen realisiert werden. Allerdings kann man alles, was man beim Startup Weekend lernt, auch in einem bestehenden Unternehmen umsetzen, um dort neue Projekte zu entwickeln. Das ist ein Hauptaspekt, der eine besondere Stärke des Startup Weekends darstellt. Aus einer vagen Idee oder bestehenden Problemstellungen entsteht am Ende ein in sich geschlossenes, funktionierendes Modell von einem Unternehmen oder einer Geschäftsidee.
Spielt diese positive Energie nicht insbesondere im Hinblick auf Recruiting eine große Rolle für die bestehenden Unternehmen?
Maron: Ja, ich denke, das ist mit ein Grund dafür, dass uns beispielsweise die Debeka unterstützt. Hier im Gebäude gegenüber des TZK soll das DICE – Debeka Innovation Center – eröffnet werden. Damit möchte man sich auch attraktiver für zukünftige Mitarbeiter machen und nicht nur Versicherer, sondern auch innovativer Arbeitgeber sein.
Hagge: Immer mehr Menschen suchen Arbeitsplätze mit nicht vorgegebenen Arbeitsstrukturen. Beim Gründungsthema geht es nicht darum, Leute aus der Arbeitslosigkeit herauszuholen oder sie davor zu bewahren. Es sind oftmals sogenannte High Potentials, die auf dem etablierten Arbeitsmarkt sehr gute Aussichten hätten, aber den Drang dazu verspüren, etwas Neues zu erschaffen. Diejenigen achten auf das Arbeitsumfeld und wollen sich die Aufgaben selbst aussuchen. Welche Möglichkeiten habe ich? Welche Firmenphilosophie wird vertreten? Das sind Fragen, die sie sich stellen. In der Startup-Welt sind viele Themen vertreten, die heute auch große Unternehmen im Sinne von Arbeitskultur aufgreifen wollen.
Beim Thema Startup denken die meisten an Metropolen, nicht zuletzt an Berlin. Warum sollten Gründer ihre Idee in Koblenz realisieren und aufbauen?
Hagge: Das kommt auf den Zielmarkt an. Koblenz hat eine sehr diversifizierte wirtschaftliche Landschaft und ist jetzt schon eines der stärksten Wirtschaftszentren in Rheinland-Pfalz, vor allem ohne den Fokus in einem einzigen Bereich. Eine breit aufgestellte Wirtschaftslandschaft mit einer sehr guten Mittelstandsbasis ist hier ein großer Vorteil. Wenn man also mit seinem neuen Unternehmen auf Firmenkunden abzielt, dann findet man hier sehr gute Voraussetzungen. Berlin hat andere Stärken. Die dortigen Startups sind häufig im Endkundenbereich angesiedelt und erfahren starke Finanzierung. Doch einer der Gründe für den wirtschaftlichen Erfolg Deutschlands ist, dass wir nicht diese zentralisierten Strukturen, sondern starke Regionen haben, die ihre eigenen Identitäten aufweisen. Das ist auch in Koblenz der Fall.
Maron: Ich denke, es kommt auch darauf an, worauf man abzielt. Startup gründen, Finanzierung bekommen und dann schneller Exit? Dann ist man in Berlin oder einer anderen Metropole besser aufgehoben, weil es dort vielmehr Investoren gibt. Wenn man aber ein Startup aufbaut, um langfristig auf dem Markt zu bleiben, dann geht das hier besser, weil man hier mehr potenzielle Kunden zur Verfügung hat.
Sie beide setzen sich sehr für die hiesige Startup-Landschaft ein. Welche Unterstützung könnte unsere Region noch gebrauchen? Was fehlt?
Hagge: Wenn man mit erfolgreichen Gründern aus der Region spricht, gibt es immer wieder gute Argumente für die Vernetzung mit Gründern aus anderen Regionen. Andernorts, wie beispielsweise in Frankfurt, ist das Angebot an Veranstaltungen mit hervorragenden Speakern größer. Es wäre schön, wenn auch wir die Mittel hätten, deutschlandweit interessante Speaker hierher einzuladen, um auch fortgeschrittenen Unternehmern spannende Formate bieten zu können.
Maron: Und da wäre noch der Aspekt “Investoren”. In der Region gibt es viele Menschen, die als Investor tätig sein könnten, aber eventuell nicht wissen, dass es hier Startups gibt, die sich auch über einen vergleichsweise kleinen, fünf- oder sechsstelligen Betrag freuen würden. Gerade am Anfang braucht man ja relativ wenig Geld. Hier findet man eine gute Infrastruktur vor, aber man braucht Geld, um seinen Lebensunterhalt finanzieren zu können. Dann lässt sich auch eine Unternehmensidee verwirklichen. In der Region gibt es viele, die Geld haben und auf dem Kapitalmarkt nichts für ihr Geld bekommen. Diejenigen müsste man mit den Startups zusammenbringen.
Warum organisieren Sie das Startup-Weekend?
Maron: Als ich damit anfing, Veranstaltungen für Startups zu organisieren, gab es zwar schon das TZK, aber spezielle Events fanden nicht statt und das ISSO existierte noch nicht. Die Startup-Community in Koblenz war sehr überschaubar. Das fand ich sehr schade und wollte es ändern. Startup Weekends fanden auch in anderen rheinland-pfälzischen Städten statt, gefördert vom Land. Für mich war das ein Antrieb so etwas auch in Koblenz auf die Beine zu stellen, um eine Community zu fördern. Die Leute sollten sich treffen, miteinander austauschen und vernetzen.
Was genau ist das Startup Weekend und für wen könnte es interessant sein?
Maron: Beim Startup Weekend handelt es sich um ein weltweites Veranstaltungsformat. Unterstützt wird es von Google for Entrepreneurs und hat bereits in über 1000 Städten stattgefunden. Wir haben 2014 damit angefangen. Es kommen Gründungsinteressierte zusammen, ganz egal welchen Alters und unabhängig davon, ob sie bereits eine Idee haben oder nicht. Wer Spaß daran hat, etwas gemeinsam mit anderen umzusetzen – ob als Programmierer, BWLer oder aus einem ganz anderen Bereich – ist da genau richtig. Manche kommen bereits mit einer Idee und suchen Leute, um ein Team aufzubauen und 54 Stunden lang an der Idee und Umsetzung zu arbeiten. Am Ende des Wochenendes stellen sie ihre Idee ein weiteres Mal vor, nämlich das, was in der Zwischenzeit daraus geworden ist. Eine Jury entscheidet darüber, welche Ideen am besten sind. Diejenigen erhalten dann Preise.
Hagge: Das Ganze wird innerhalb der 54 Stunden von Mentoren begleitet. Sie stehen als Ansprechpartner zur Verfügung. Es sind Experten aus unterschiedlichen Bereichen, zum Beispiel Gestaltung, Technologie oder Wirtschaft, aber auch Unternehmerpersönlichkeiten, die sich dem Gründungsgedanken verbunden fühlen. Wir haben mittlerweile ein gutes Netzwerk aus Unterstützern.
Sie sitzen in der Jury, Herr Hagge?
Hagge: Ich bin Jurymitglied, ja.
Ist es schön, am Ende die Ergebnisse zu sehen?
Hagge: Ja, definitiv. Denn am Anfang ist völlig unklar, welche Ideen tatsächlich kommen werden, welche Teams entstanden sind und welche Potenziale darin erkannt werden. Der große Knackpunkt an der Sache ist, die am Startup Weekend entstandene Energie fortzuführen, also die Gründerteams dazu zu bewegen, dass sie in der Form und mit dem Gedanken weitermachen. Denn viele von ihnen kannten sich vorher gar nicht. Dann gewinnen sie einen Preis und haben die Möglichkeit, mehr daraus zu machen. Aber wie hält man sie an der Stange? Das ist übrigens ein Thema, warum auch Martin Görlitz Jurymitglied ist und mit ISSO die Gewinner unterstützt. Auch wir vom TZK stellen dem Siegerteam bestimmte Strukturen und konkrete Leistungen zur Verfügung, damit es die Möglichkeit hat, weiterzumachen und die Unternehmensgründung zu realisieren.
Ist Ihnen aus den vergangenen Jahren eine nennenswerte Story in Erinnerung geblieben? Ein besonders erfolgreiches Team?
Maron: Grundsätzlich ist es jedes Mal schön zu sehen, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer Spaß an der Sache haben und am Ende auch dankbar für diese Erfahrung sind. Im ersten Jahr hatten wir hier ein Team, das einen Foodtruck auf die Straße bringen wollte und mit Hilfe der Mentoren die notwendige Finanzierung erhalten hat. Die Teammitglieder waren so dankbar, dass sie ein oder zwei Jahre später als Sponsor zum Startup Weekend kamen und an einem Tag die Burger umsonst ausgegeben haben. Ein anderes Team mit Studenten von der WHU hatte zuerst hier, dann auch bei anderen Wettbewerben gewonnen und ist schließlich nach Berlin gegangen.
Wo wird das diesjährige Startup Weekend stattfinden und wann?
Maron: Dieses Jahr findet es hier im TZK statt. Es geht los am 19. Oktober um 17 Uhr und endet am Sonntagnachmittag etwa gegen 17 oder 18 Uhr.
Hagge: Der Veranstalter des Startup Weekends ist der IT.Stadt Koblenz e.V., aber bei den Organisatoren handelt es sich um die Startup League Koblenz. Das sind mehrere Mitglieder von einzelnen Institutionen, die sich zum Thema Gründungsförderung zusammengefunden haben: die IHK und die HwK, das ISSO als private Stiftung zu diesem Thema, das Technologiezentrum Koblenz (TZK), die Wirtschaftsförderung der Stadt Koblenz, der IT.Stadt Koblenz e.V. und die Wirtschaftsjunioren. Außerdem das Gründungsbüro der Universität Koblenz und die WHU Otto Beisheim School of Management. Ich hoffe, ich habe niemanden vergessen. Bei den meisten dieser Partner durften wir bereits das Startup Weekend veranstalten und diesmal findet es zum zweiten Mal bei uns im TZK statt.
Kann man sich noch anmelden?
(beide erfreut)
Maron: Selbstverständlich.
Hagge: Definitiv.
Wir danken für das freundliche Gespräch und sind gespannt auf das Event.
Weitere Informationen zum Startup Weekend 2018 findet Ihr hier.