Was ist eine FuckUpNight?
Auf die Idee kamen 2012 ein paar Freunde in Mexiko: sie unterhielten sich eines Abends über Erfahrungen, die sie in ihren Unternehmen gemacht hatten. Dabei wurde offensichtlich, dass einige – unabhängig voneinander – gleiche oder ähnliche Fehler gemacht haben. Rasch stellten sie fest, dass durch das Sprechen über das Scheitern und die gemachten Fehler ein wertvoller Austausch stattfand.
Die Idee der FuckUpNights war geboren.
Mittlerweile geht die Idee um die Welt. Stand heute (Oktober 2022) gibt es FuckUpNights in 62 Ländern und 215 Städten. Koblenz ist eine davon…
Die Speaker*innen
Das wichtigste bei einer FuckUpNight sind die Speaker*innen. Die, die von ihren ganz persönlichen Pleiten berichten. Und weil das so ist, steige ich auch gleich mit den vier Protagonisten*innen ein, die an diesem Abend den Mut hatten, sich auf die Bühne in der Kulturfabrik zu stellen, um uns ihre Geschichte zu erzählen.

Sergej Borkenhagen
Speaker Nummer 1 war Sergej Borkenhagen. Er nahm uns bei seinem Fuckup zunächst mit auf eine steil nach oben weisende Karriere. Studium, Erfahrungen sammeln, weiteres Studium, Gründung einer eigenen (obendrein noch erfolgreichen) Schule für Physiotherapie in Bonn. Da hat so mancher schon gedacht: „Und wo ist der Haken„?
Der Haken kam mit einer Gelegenheit – und einer Idee. Sergej konnte die Fläche seiner Schule verdoppeln – und hatte auch schon eine passende Idee, was er mit dem Platz anfangen könnte. Ein Coworking-Space für Physiotherapeuten. Und so nahm – rückblickend betrachtet – das Schicksal seinen Lauf: nach anfänglichen Erfolgen des Coworkings für Physiotherapeuten knisterte es im Gebälk: zwar waren die Flächen vermietet. Doch die Mieter nutzen den Erfolg und reduzierten ihre Arbeitszeiten. Dies bewirkte zweierlei: die Patienten bekommen schlechter Termine (was man dem Betreiber des Coworking Space zuschrieb) und die Schüler*innen der eigenen Schule gewannen einen gänzlich falschen Eindruck von späteren der Arbeit als Physiotherapeut. In Summe führten beide Aspekte schließlich zum Aus für den Coworking-Space.
Die Lehren daraus? Zum einen sollte man sich bei einem Projekt nie vom eigenen Ego leiten lassen. Der rasche Erfolg der Schule gepaart mit einer verlockenden Chance zur Expansion und vielleicht auch dem Wunsch, es allen einmal zu zeigen, waren bei Sergej wesentliche Triebfedern. Und bei der Planung des Space ging er von seiner eigenen Einstellung aus. So traf ihn der spätere Wunsch der Physiotherapeuten im Coworking Space, ihre Arbeitszeiten zu reduzieren, vollkommen auf dem falschen Fuß. Im Nachgang hätte er hier (vielleicht) mit Personas das Risiko im Vorfeld erkennen können – und die Idee anders umgesetzt.
Jasmin Maria Klein
Als nächste stieg Jasmin Maria Klein in den Ring. Ihre Geschichte fing gleich mit einem Paukenschlag an. Zumindest hielt die Generation X im Raum kurz die Luft an, als sie hörte, dass Jasmin eine Beamtenlaufbahn eingeschlagen, dann aber den sicheren Job an den Nagel gehangen hat. Doch zunächst lief alles nach Plan: Selbstständigkeit mit einer interessanten Mischung aus Yoga, Cafe und Eventlocation. Und zwar dem Martinsschloss in Lahnstein. Ja, klar: super Ort für eine Heirat. Und die Stadt unterstützt die Idee auch durch die Einrichtung eines Trauraums.
Fast möchte man meinen: trotz Corona Glück gehabt. Und dann kommt aus heiterem Himmel das „Aus“ für das Unternehmen. Aus einer Richtung, die man nicht vermutet hätte. Von der Stadt Lahnstein. Diesmal vom Bauamt. Nach jahrelanger, unterschiedlicher Nutzung der Liegenschaft hat irgendjemand festgestellt, dass das Martinsschloss gegen Brandschutzrichtlinien verstößt.
Von heute auf morgen gab es keine Eventlocation mehr – und Jasmin musste mehr als 25 bereits geplante Hochzeiten absagen!
Das Learning daraus? Jasmin hat das plötzliche Aus als Chance gesehen. Und hatte einige Optionen. Auch die Rückkehr in die Verwaltung . Entschieden hat sie sich jedoch bewusst für die Fortführung der Selbstständigkeit mit Yoga und als Mindful Coach in der Koblenzer Altstadt. Getrennt hat sie sich dagegen vom Café und der Eventlocation: beides waren Kraftfresser, ohne die jedoch die hohen Fixkosten im Martinsschloss nicht zu stemmen waren. Das „Aus“ in Lahnstein war für Jasmin somit gleichzeitig die Fokussierung auf ihre Herzensthemen und einem Neubeginn in Koblenz.
Farina Attig
Nach der Pause folgte die zweite Speakerin – Farina Attig. Ihr Fuckup hat mir am besten gefallen, einfach weil ich mich am einfachsten hineinversetzen konnte. Quasi aus der Praxis für die Praxis. Farina berichtet von ihrer Arbeit in einem AXA-Inhouse-Startup. Ihre Mission: als Startup innerhalb des Konzerns innovative Produkte und Services entwickeln, die über das klassische Versicherungsgeschäft hinausgehen.
Gesagt – getan. Das Team von Farina identifizierte rasch eine mögliche erste Geschäftsidee, fokussierte sich darauf – und führte diese zum durchschlagenden Erfolg! Übrigens gibt es das Produkt WayGuard heute noch.
Nach diesem Senkrechtstart folgte natürlich gleich die nächste Herausforderung. Neue Zielgruppe: kleine Unternehmer im Beauty-Umfeld, also Friseure, Nagelstudio, etc.. Die Herausforderung: Unterstützung bei kurzfristig abgesagten Terminen. Getragen von den Erwartungen – und vom eigenen Erfolg! – nahm auch hier das Team rasch Fahrt auf. Die Idee von latebird.de nahm konkrete Formen an: es sollte die Plattform für spontane Beauty-Termine werden. Und so wurde in Rekordzeit ein Minimum Viable Product (MVP) auf die Beine gestellt, eine Werbekampagne aus dem Boden gestampft und der GoLive zelebriert.
Doch – die Idee floppte!
Zwar hatte man tatsächlich bei den Unternehmern ein Bedürfnis erkannt, doch in der Realität konnte man Angebot und Nachfrage nicht so einfach synchronisieren. So wurden freie Termine durch abgesprungene Kunden eingestellt, fanden aber wegen der kurzfristigen Vorlaufzeit keine passenden Kunden. Umgekehrt fanden Kunden nur selten etwas passendes. Hinzu kamen handwerkliche Fehler: so hatte man (zugunsten des schnelleren Rollouts) auf eine perfekte Optik der Website verzichtet. Gerade im Beauty-Umfeld ein Fehler, wie sich später herausstellte. Auch wurden die Kosten für offline Werbung unterschätzt und führten insgesamt zu hohen Kosten pro Vermittlung.
Alles in allem lautete das Fazit: jede Idee muss aus der Sicht des Kunden gedacht werden! An einer kundenzentrierten Produkt- und Serviceentwicklung führt kein Weg vorbei.
Axel Junge
Der letzte an diesem Abend war Axel Junge von Kaffeejunge in Koblenz.
Seine Geschichte begann mit der Möglichkeit, das Café im Forum Confluentes zu eröffnen. Zum damaligen Zeitpunkt das Prestigeprojekt der Stadt Koblenz! Und so griff Axel zu und eröffnete das Kulturcafé K3. Der Name war Programm: so standen neben dem Café-Betrieb auch Kulturevents auf der langen To-Do-Liste von Axel. Trotz allem Herzblut konnte sich das Café nicht halten. Und führte zu einem wahren Strudel von Problemen: Insolvenz des K3, das Aus in der Beziehung und der Verlust von Freundschaften.
Doch das eigentliche Learning war, wie sich Axel aus der Krise befreit hat. Nämlich durch Rückbesinnung auf sich selbst. Achtsamkeit und Ruhe wurden Eckpfeiler einer neuen Lebensphilosophie. Und mit dieser Einstellung hat er das Kaffeejunge nicht nur zu einem Ort für guten Kaffee und leckere Pralinen gemacht, sondern zu einem Platz für transformierende Gespräche.
An alle vier Speaker*innen an dieser Stelle noch einmal ein dickes Dankeschön von mir. Danke, dass ihr Eure Geschichte mit uns geteilt habt und dass wir von Euch lernen durften.



Die Location: Kulturfabrik Koblenz
Die Kulturfabrik (KUFA) Koblenz wurde 1996 gegründete und ist das Zuhause des Kinder- und Jugendtheaters in Koblenz. Damit ist KUFA nicht nur fester Bestandteil der kulturellen Landschaft unserer Region, sondern auch eine tolle Location für Veranstaltungen (fast) jeder Art. Dazu trägt auch der Charme des Unperfekten bei.
Die FuckUpNights Koblenz fand zum zweiten mal in der KUFA statt. Und irgendwie hat man das Gefühl von Topf und Deckelchen.
Die Fuckupper-Crew
Eigentlich muss man die drei nicht vorstellen. Ich mach´s trotzdem.
Die FuckUpNight in Koblenz Vol. VII wurde (wieder einmal) von folgendem Dreigestirn organisiert:
- Gentiana Daumiller: Systemischer Coach & Beraterin für NewWork
- Miriam Schuff: Citymanagerin der Stadt Koblenz
- Immanuel Bär: Co-Founder ProSec Networks
Danke auch an Euch, dass ihr dieses tolle Format nach Koblenz gebracht habt. Und es in so schöner Regelmäßigkeit stattfinden lasst. Gerade beim Thema Fehlerkultur müssen in den Unternehmen noch dicke Bretter gebohrt werden – und da ist die FuckUpNights genau das richtige Werkzeug.

Ausblick: die FuckUpNights Koblenz Vol. VIII
Nach der FuckUpNights ist bekanntlich vor der FuckUpNights. Die Ausgabe Nr. 8 wird voraussichtlich an einem Donnerstag im April 2023 stattfinden.
Haltet Euch also schon mal auf Verdacht den 06., 13., 20. und 27.04.2023 frei.